Startseite

zurück zur Übersicht

Good morning STEINFELD !
Kolumne zum Wochenbeginn
Numero 33

ocs

Es gibt Tage, da werden Träume wahr, wirklich.
Samstag war so ein Tag !
Wieso ?

Vor vier Wochen versammelten sich zu ihrem ersten Treffen Bürger aus Broderstorf
und umliegenden Gemeinden im Hansestern Thulendorf, um zu beraten,
was und in welcher Form man wohl gegen die geplante Massentieranlage in Fienstorf tun könnte.

In meinem jugendlichen Leichtsinn hatte ich mich bereit erklärt, diese Veranstaltung zu moderieren.
Nach einer kurzen Einführung ergab sich eine rege Ideendiskussion und es stellte sich heraus,
dass es in unserem unmittelbaren Wohnumfeld und darüber hinaus nicht nur besorgte Menschen gibt,
sondern auch viele, die mit Klugheit, Engagement, Kreativität und Handlungswillen
ihre Vorstellungen von einem Leben im ländlichen Raum zu verteidigen gewillt sind.
Reges Presseinteresse begleitete diese erste Veranstaltung, vom „Nordmagazin“ bis zur „OZ“.

In der medialen Aufbereitung konnten ich und andere dann in der „OZ“ nachlesen,
welche Träume speziell meine Person hat, die da waren:

1. Gründung einer Bürgerinitiative
2. Plakatierung der Bürgermeinung im Umfeld des Standortes
3. Aktionstag gegen das geplante Vorhaben
4. Protestmarsch von Öftenhäven über den Standort nach Fienstorf
5. Spendenbasar in Fienstorf
6. Protestsong und seine Uraufführung am Aktionstag

Nun ist es sicher dem journalistischem Stil der Redakteurin der OZ geschuldet,
dass sie mir wenn nicht alle, so doch die meisten dieser Punkte als Träumerei zuschrieb,
Fakt ist aber:
All das ist geschehen. Allerdings ohne mein weiteres Zutun.

„Empört Euch !“ ist der Titel eines sehr lesenswerten Büchleins
des kürzlich verstorbenen Philosophen Stephane Hessel
und genau das haben die Bürger am Samstag getan, sich empört.

Zuvor haben sie sich informiert und organisiert,
ohne Parteien, ohne Wählergruppen und ohne Klugscheißer wie mich,
BRAVO !

Es sah nicht aus wie Mut der Verzweiflung, es sah mehr aus wie ES REICHT! ,
als die ca. 220 Empörten die mir von der OZ unterstellten Träume wahr werden ließen,
alle und noch ein paar mehr.

Natürlich ist der gewünschte Erfolg mehr als vakant,
natürlich hat der Investor Gesetz und Politik auf seiner Seite und
natürlich gibt es primitive Schwachköpfe, die dümmlich gegen diese Empörung polemisieren müssen.

Dennoch, träumen ist erlaubt und an diesem Sonnabend in Broderstorf, Ortsteil Fienstorf
wurden mehr Träume wahr, als ein Träumer wie ich zu träumen gewagt hätte.

Andere Träume haben es da schwerer.

Unsere Landesregierung stellte vor Jahren ihren Traum vor,
aus unserem Land einen Ort des Urlaubs, der Erholung, intakten Natur,
hochwertiger Gastronomie, Beherbergung und vor allem eines naturbelassenen Wohlfühlens zu machen.

Hunderte Millionen Euros wurden in die „touristische Infrastruktur“ gesteckt,
alle möglichen Fördertöpfe angebohrt, sämtliche Messen mit Tourismusständen bepflastert
und zig Länder mit bisweilen ausufernden Delegationen bereist,
um diesen Traum vom Naturtourismusland Meck-Pomm in die Welt zu tragen.

Was wurde gefeiert, fast hatten wir schon alle anderen deutschen Länder im Bereich Urlaub überholt,
selbst mit Bayern sahen wir uns ganz selbstbewusst auf Augenhöhe.
Endlich mal was richtig richtig gemacht im Vorgesternland,
wo alles hundert Jahre später kommt, wie Bismarck dereinst meinte.

Auch dieser Traum schien wahr zu werden,
Seeadler, Wachtelkönig, Schwarzstorch, Rotbauchunke, Pommernadler
und sogar der Mensch sahen rosigen Zeiten in einer Traumlandschaft entgegen.

Bis – ja bis jemand einen fürchterlichen Albtraum hatte.
Dieser jemand stellte fest, dass es zu wenig Nutztiere gibt,
im Sauberland der weißen Strände und klaren Seen.
Zu wenig Mastanlagen, zu wenig Gülle, zu wenig Keime, zu wenig Ställe, zu wenig Antibiotika,
zu wenig Gestank, zu wenig noch billigeres Fleisch.

Weiß eigentlich noch irgendjemand, was die Ursache für sinkende Preise von Produkten ist ?

Es ist jedenfalls nicht das Gebrüll des „Verbrauchers“ nach billigem Fressalien,
nein es gibt immer nur einen Grund, soweit es sich um ein „marktgerechtes Produkt“ handelt:
ÜBERANGEBOT

Zuviel Flat-Fernsehern auf dem Markt –Preis fällt.
Zu viele Frisöre am Start - Preise fallen.
Zuviel Autos auf Halde - exorbitante Rabatte.
Zu viel Fleisch im Regal - Ramschpreise !

Doch egal !

Wir brauchen noch Unmengen von Mastanlagen,
bis wir unser Land auch nur annähernd so verhunzen können,
wie es den Niedersachsen bereits höchst erfolgreich gelungen ist.
Da steht man jetzt vor den Trümmern einer völlig außer Rand und Band geratenen Massentierproduktion
und ein Grünling darf endlich Filter in den Dreckschleudern fordern,
aus denen unsere Rinderbraten und Butterberge kommen,
Glückwunsch !

Und wieder werden Millionen in einen Traum gesteckt.
Millionen von Steuergeldern, mit denen nun nicht mehr das Urlaubsland Nr.1 geschmiedet wird,
sondern der größte Schweinestall der Neuzeit.

Traum gegen Albtraum und alles mit unserem Geld,
das nenne ich kluge Strukturpolitik.

Erst Millionen für den Tourismustraum
und dann Millionen um diesen Traum mit dem Albtraum Massentierhaltung wieder zu zerstören,
genial.

Bei der Auswertung der Tourismuszahlen des letzten Jahres
schwang das blanke Entsetzen der Branche mit, als man völlig fassungslos feststellte,
dass es bis zu 18 Prozent Verluste bei Übernachtungen gab – was für eine Überraschung.
Hektisch werden von der weisen Landesregierung Auswege gesucht, aus diesem Dilemma.

Offenbar kommt niemand auf die Idee, dass es einen Zusammenhang geben könnte,
zwischen den seit Jahren umfangreicher werdenden Berichten über Tierfabriken in M-V
und sinkendem Urlauberinteresse.

Die Niedersachsen sind mit Sicherheit tolle Leute,
mit einem wunderschönen Land aber ich würde nie auf die Idee kommen, dort Urlaub zu machen.
Ich wäre nicht einmal bereit zu differenzieren, zwischen verseuchten Landstrichen wie bei Vechta
und Horten der naturbelassenen Glückseligkeit, wie im Harz,
Niedersachsen – nein danke.
Da bringe ich mein Urlaubsgeld lieber über die Alpen.

So wird es hier auch laufen.
Warum sollen Bayern und andere ihr Geld im Gülleland ausgeben,
das können sie auch in Dänemark, Holland und eben Niedersachsen haben.

So frisst denn ein Traum den anderen
und wir als Bürger sind nur Verschiebemasse auf dem Reißbrett der politischen Planungshoheit.

Empört Euch !

Es ist Euer Land, Eure Gesundheit, Euer Geld und die Zukunft Eurer Kinder und Enkel.

Opfert sie nicht für ein Überangebot an Billigfleisch.

Müssen wir wirklich zu Niedersachsen aufholen, wie mir ein örtlicher Landwirt zuraunte.
Weil wir „das ärmste Land in Deutschland“ sind ?

Sind wir das ?

Sind wir so arm ?

Lässt sich Wohlstand immer nur mit Geld bemessen ?
Wir haben von allem weniger als andere:
weniger Autofabriken, weniger Chemiewerke, weniger Viehbestand pro Kopf.

Wann werden wir endlich an dem weiterarbeiten, von dem wir mehr haben als andere ?

Empört Euch !

Have a nice week !

M. Eckart ocs

Kontakt

Impressum: ©imutta