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Good morning STEINFELD !
Kolumne zum Wochenbeginn
Numero 148

ocs

Und wieder ein Meilenstein
auf der planmäßigen Entwicklung unseres Landes zum Top-Agrarindustriestandort
weit, weit, weit, gaaanz weit hinter der Zeit.

Wie immer kommt bei uns alles hundert Jahre später,
wusste schon Bismarck,
leider vieles dann aber doch.

Während fast überall
die Erkenntnis, dass Großmastanlagen so gut denn doch nicht sein können,
in Handeln umschlägt,
sauen wir unser Land der Vorgestrigen weiter mit Fabriken zu,
bei denen kein Keim ungezüchtet bleibt,
kein Hektar Acker unkonterminiert bleibt,
kein Meter Landweg nicht zergurkt wird von Traktoren
neben denen ein Panzer wie ein Twingo neben einem Reisebus aussieht.

Mir kommt im Angesicht und in der sich nun auch mir gegenüber
in ihrer vollen Wucht entfaltenden industriellen Revolution
in der Erzeugung von Produkten für die Ernährung in der Massenmenschhaltung,
immer wieder der überlieferte Spruch der nordamerikanischen Ureinwohner in den Sinn,
mit welchem sie das blindgierige Verhalten der zugezogenen Europäer kommentierten:
„Der weiße Mann wird nicht eher Ruhe geben,
bis der letzte Fluss vergiftet,
der letzte Büffel erlegt
und der letzte Baum gefällt ist.“


Claim abgesteckt, das Schürfen kann beginnen – Gold liegt im Mecklenburger Boden
und jetzt wird er sich holen, was ihm zusteht.

Lange, viel zu lange hat er warten müssen auf die Schürfrechte,
doch nun sind sie da.

Und er wird jedes Körnchen aus den Hühnchen holen,
egal wie viele Körner er dafür brauchen wird.
Und Milch und Honig werden fließen,
wenn das höchstveredelte Produkt mit dem schlechtesten Deckungsbeitrag
seit der Erfindung des Verlustgeschäftes
seinen Mann ernähren wird und die seinen.

Und das wird nicht reichen,
denn wenn es noch viel mehr sein werden als genug,
dann wird der Wohlstand vorbeischauen und sich niederlassen,
dort auf dem Acker zwischen Fienstorf und Öftenhäven,
gleich bei der Kothalle, dem Maissilagesilo,
den vorerst nur vier 48.000er Fensterlosställen,
dem Tottiercontainer,
dem nimmersatten Futtersilo
und dem vielleicht entstehendem Fabrikverkaufsladen.

Und der erst – der wird der Kracher !

Selbst wenn dort die Kaumasse mit fremden Stoffen,
genannt Masthuhn,
die doppelte Summe bringt, wie sein Lagerkumpel
der nachts zuvor nach z.B. Polen zur Endbearbeitung abgeholt wurde,
wird es für den „Verbraucher“
immer noch kaum die Hälfte des Ladenpreises kosten können.

Das wird ein Fest !

Was wird es Hühnchen geben im Rayon
– morgens, mittags, abends –
Hühnchen gegrillt, gebacken, frittiert, frikassiert, mit Curry, Ingwer,
in Marsala und nach Kiewer Art.
Hühnchenfeste werden gefeiert werden,
ein Umzug wird stattfinden mit Kindern in Broilerkostümen
und keine Dorffete mehr ohne gesponserte Broilerbrust direkt ab Hof.

Was wird er dann gut lachen haben
über die blöden Stänkerfritzen wider den Fortschritt,
die Miesepeter der Wutbürgerei, die ewig nörgelnden Pseudo-Ökos,
die am Ende doch nur vom Neid zerfressen sind,
wenn der„Spar-dich-reich-kauf-billig-schnäppchenjägerkonsumentendödel“
in langen Schlangen darauf wartet,
endlich das gute Superbilligfleisch zu kaufen.

Tonnen werden über die Theke gehen,
denn warum für vier Euro im Supermarkt kaufen,
wenn es den gleichen Stoff hier für die Hälfte gibt ?

Und dann, wenn das Hühnerbein vertilgt ist
und man so richtig gespart hat,
dann aber los zur Demo
„Gegen die weitere Industrialisierung in der Landwirtschaft“
schön ein abwutbürgern - aber satt und geizgeil gespart.

Ok, da sind mir wieder mal die Finger durchgegangen.
Alles Blödsinn, blanke Spinnerei von mir:
Hatte mich nicht unter Kontrolle, musste mal raus,
jetzt wo ich so total frustriert bin,
nach dieser vernichtenden persönlichen Niederlage.

So ist das halt:
Der eine verliert die Fassung, wenn er unterliegt,
der andere, wenn er endlich obsiegt hat,
zunächst.

Während ich mich hier bei meiner Verbaldiarrhöe in Schriftform
mit ein paar Händen voll Lesern begnügen muss,
konnte Großjunker Kühl seine angestaute Wut
mal so richtig vor fast hundert Leuten rauspaulen.

Sogar persönlich kann das Knäblein werden
im Angesicht des Sieges.

Ich hatte schon Angst, er würde einen Herzkasper kriegen.
Das ist doch mal richtig gute Umgangsform – endlich mal mit Ross und Reiter
den Arschlöchern die immer an einem rumnöhlen
so richtig die Meinung gegeigt.
Schluss mit der vornehmen Zurückhaltung !

BILD hätte getitelt:
„Jetzt redet das Opfer !“

Wilhelm Busch hätte es so formuliert:
„Das Gekrächzt wird bang und bänger,
der Hals vor Wut noch lang und länger,
ganz rot der Kopf von Haspelei
und dennoch legt der Hahn kein Ei.“


Was bleibt ?

1.
Die Schäden an der Bankette der Gemeindestraße auf Gemeindeland
im Bereich der Ausweichtasche wenige Meter vor meiner Grundstückzufahrt sind behoben.
Ich danke im Namen der betroffenen Gemeinde Broderstorf dem Verursacher,
sowohl der Schäden wie auch der Beseitigung selbiger,
also Bauer Jan-Hinrich Kühl aus Fienstorf !

2.
Der auf der Gemeindevertreterversammlung anwesende Zeitungsmitarbeiter
ist des Zählens unkundig, da würde es auch keine Freude machen,
ihn mit „Lügenpresse“ zu titulieren.
Würde ihn nur adeln.
Also einfach nicht mal zählen können lassen und auch sonst.
Bringt ja nix !

3.
Die Mehrheit der Gemeindevertreter der Gemeinde Steinfeld
will nichts gegen die Vorhaben rund um die Massentierhaltung unternehmen.
Das werden sich die betroffenen oder davon angeekelten Wähler aber kaum merken können.
Bald wird jemand so etwas tolles wie: „Oh, kuck mal, ein Eichhörnchen !“
oder: „Och schau mal da, ein Flüchtling !“
oder gar: „Ach du meine Nase plitsch - platsch !“ sagen
und alles ist vergessen.
Die Guten sind die Guten, weil sie schon immer die Guten waren
und die anderen sind Ärsche, weil sie schon immer Ärsche waren.

4.
Ein BIO-Bauer, der sich gern und viel darüber beklagt,
dass es zu viel Billigfleisch gibt
muss auf gar keinen Fall eine Bewegung unterstützen,
sich ihr anschließen oder gar einer ihrer Protagonisten werden,
die sich gegen eine Billigfleischfabrik wendet,
sondern er kann auch ganz offensiv
für die Umsetzung einer konventionellen Massentieranlage
in seiner unmittelbaren Nachbarschaft eintreten,
selbst wenn er BIO-Fleischproduzent ist
und eigentlich davon ausgegangen werden kann,
dass dieser Mastbetrieb seinem Geschäftsmodell diametral gegenübersteht.
Das muss man nicht verstehen,
kann man aber,
wenn man etwas nachdenkt.

5.
Ich bin so scheiße drauf gegen die Vorhaben von Herrn Kühl,
weil mir dadurch ein Verlust von mehreren zehntausend Euro entsteht,
die mein Haus und Hof nun nicht mehr wert sind.
Meiner Hände Arbeit wird durch diesen Mist vor meiner Haustür vernichtet
und da kann niemand ernsthaft von mir erwarten,
dass ich Fan desjenigen bin, der dafür verantwortlich ist.
Dabei ist mir seine Motivlage mehr als scheißegal.
Mir ist bekannt, dass das niedere und kleinliche Gründe sind
aber es sind meine und ich habe vorrangig diese.

Das kann keine gute Woche werden und so wünsche ich sie auch nicht !

M. Eckart, ocs

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