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Good morning STEINFELD !
Kolumne zum Wochenbeginn
Numero 12

ocs

Kennt Ihr Bob Woodward und Carl Bernstein?
Schön wäre, wenn ja,
denn diese beiden Journalisten in damaligen Diensten der „Washington Post“
haben Geschichte geschrieben.
Geschichte, die heute unter dem Begriff „Watergate Skandal“ in den Geschichtsbüchern zu finden ist.

Richard Nixon, seinerzeit republikanischer Präsident der USA
und stark bis zu stark mit seiner Wiederwahl als solcher beschäftigt,
ließ bei den Demokraten einbrechen.

Die entsprechenden Wahlkampfbüros befanden sich im Watergate–Hotel–Komplex.
Kurzum, die Sache flog auf, Nixon musste zurücktreten
und wir können uns heute in dem wirklich guten Film „Die Unbestechlichen“
mit Robert Redford und Dustin Hoffmann ansehen, was damals los war.

Das für mich Bemerkenswerte ist, was es damals gab und heute fehlt,
im oberflächlichen Abschreibe– und Ratejournalismus unserer Zeit:
Bissig und sauber recherchierende Journalisten.

Woodward und Bernstein gruben und wühlten, ermittelten und verfolgten
und fanden sie schließlich, die Wahrheit.

Der Verleger der „Post“ unterstützte sie
und hatte den Mut gegen Druck von wirklich allerhöchster Stelle
die Ergebnisse auch zu publizieren.

Was für eine Zeit !

Mut, Beharrlichkeit, der „richtige Riecher“ und robuster Umgang mit Quellen
führten alle drei neben der Wahrheit auch zum „Pulitzerpreis“,
der Heiligsprechung im Journalismus.

Heute dagegen ?

Die deutschen Verleger zum Beispiel treibt weiter die Frage um,
wie ihre Zeitungen interessant bleiben können, im Zeitalter des Internet.

Ganz sicher nicht mit Abschreibübungen
und dem „nutzen von Beiträgen und Fotos von Lesern, um Redaktionskosten zu drücken“
wie es Ernst Elitz, ehemaliger Intendant des Deutschlandfunks unlängst zu bedenken gab.

Qualität kostet Geld, ein gutes Produkt braucht gute Produzenten.

Es reicht eben nicht Studenten durch die Gegend zu jagen
oder unendlich gelangweilte und somit selbst langweilige Telefonreporter zu beschäftigen.

Ich versuche es mal mit einem Beispiel:
Am 10.10.2012 werden die Gemeindevertreter Zentsch, Wegner, Noack, Makowiak und Bürgermeister Müller
unter dem Tagesordnungspunt 10 der Gemeindevertretersitzung
höchstwahrscheinlich auch das zweite Bürgerbegehren zur Gebietsänderung mit Broderstorf abschmettern,
streng demokratisch – natürlich.

Langweilig !

Interessant dagegen ist
die von der Verwaltung erarbeitete und von der Rechtsaufsicht bestätigte Begründung dazu.

Wieso interessant ?

Weil wir eine Verfassung haben, das ist sozusagen das Grundgesetz für M-V.

In diesem Gesetz ist unter Paragraph 20 geregelt, wie ein Bürgerentscheid läuft.
Absatz 4 sagt etwas über Fristen.
Die Frist soll, so unsere Verfassung, 6 Wochen betragen.

Danke, liebe Verfassung aber das ist für’n Arsch !

Denn es gibt einen, auch an dieser Stelle bereits erwähnten
Runderlass aus dem Innenministerium des Landes M-V, Nr.: II 300-172.427.

Dort wird offenbar zum Verfassungsbruch,
wenn nicht aufgefordert,
so doch sehr unverblümt der Hinweis gegeben:
dass… ungeachtet der 6 – Wochen – Frist der Verfassung
ein Bürgerbegehren nur so lange zulässig ist,
wie der Vertrag noch nicht durch Unterzeichnung durchgeführt worden ist.

Wunderbar !

Was schert mich die Verfassung, wenn ich einen Erlass habe, der selbige aushebelt !

Mittels dieses Erlasses wird nun, da formell nichts auszusetzen ist, am Begehren,
materiell die Hinrichtung begründet.

Natürlich kannte auch ich diesen Erlass.

Allein, ich wollte nicht glauben, dass Müller und Co. wirklich sofort am nächsten Tag unterschreiben.

Die bittere Erkenntnis, dass offenbar ein Erlass, also eine „Nachrangige Rechtsverordnung“
unsere Landesverfassung, also unsere „Hochrangigste Rechtsverordnung“ „bricht“,
macht mich völlig fassungslos und stärkt meine Abneigung gegen die Rechtsverdreher aller Couleur.

Was hat das nun mit den Zeitungen und ihren Schreiberlingen zu tun ?

Dass es keinen interessiert !

Alle, die darüber in der Lokalpresse berichteten, hatten die Information.
Nicht einer ist auf die Idee gekommen, sich das Ding mal genauer anzusehen.
Keine Frage drängte sich auf, kein journalistischer Bluthundinstinkt wurde geweckt,
nichts, gar nichts.

Telefonieren, fotografieren, abschreiben – nur eins nicht – Denken !

Könnte ja wehtun.

Da ist es einfacher zum Helden der Verhöhnung zu werden,
sich lustig zu machen über trottelige Stänkerfritzen.

Das geht nämlich prima von zu Hause oder dem Büro,
da braucht man nicht raus in dunkle Tiefgaragen,
wie einst Woodward und Bernstein.

„Machen Sie Lokalredakteure zu Helden!“,
rief kürzlich der ProSieben Manager Arnd Benninghoff den heulenden Zeitungsverlegern zu.

Ich kann dem nur hinzufügen:
Liebe Redakteure macht Euch selbst zu Helden!
Sonst verliert ihr nach Euren Lesern auch Euren Job!

Versucht es mal mit der offenbar geheimnisvollsten aller journalistischen Tätigkeiten – der Recherche.

Fügt ihr auch noch Schlussfolgerungen hinzu,
könnte Euch das zu Fragen führen und diese wiederum zu Antworten.

Wenn es dann auch noch so mutige Verleger geben sollte,
wie seinerzeit den der „Post“,
könnten wir vielleicht irgendwann einmal wieder Dinge erfahren,
die nicht aus dem Internet abgeschrieben wurden.

Ansonsten werden wohl demnächst die Tageszeitungen nur noch aus dem dritten Aufguss
der vierten Nachverwertung von belanglosem Mist
und dann 17 Kommentaren gelangweilter Schreiberlinge bestehen,
Glück auf !

Have a nice week !

M. Eckart, ocs

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