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Broderstorfer Gemeinderat
am Mittwoch, den 02. März 2016

Gemeindepolitik
„Lügenpresse, Lügenpresse, …“
rufen aufgebrachte Menschen in Sachsen.
„Haben die nicht alle Latten am Maschendrahtzaun ?“
fragt sich der medial umfassend informierte Bürger.

Eine Ahnung davon, was die Sachsen meinen
erhielt man, als man am Freitag ein lokales Printmedium in Rostock aufschlug.
Dort wurde von der Gemeindevertretersitzung in Broderstorf berichtet.

Unwillkürlich fragt man sich,
war der anwesende Journalist gar auf einer anderen Veranstaltung ?

90 Stühle für Gäste hatte der Bürgermeister aufstellen lassen.
Diese waren alle besetzt.
Viele Gäste im Vorraum des Sitzungssaales verfolgten stehend die Veranstaltung.
Über hundert Leute !
Das war jene kleine Handvoll Querulanten, von denen besagter Hofberichtsschreiberling berichtete.
Eine kleine wutbürgernde Minderheit aus Fienstorf,
denen die Gemeinderäte, die ja das Große, Ganze im Auge behalten müssten,
glücklicherweise nicht nachgaben.

1.500 Unterschriften gegen die Errichtung der industriellen Mastanlage
wurden innerhalb weniger Tage in der Region gesammelt und dem Landtag M-V übergeben.
Solche Fakten kann man zur Kenntnis nehmen – muss man aber nicht.
Offensichtlich.

Nach Ansicht dieses Virtuosen der flinken Schreibfeder
ist die Errichtung der Megaställe das Problem der Dörfler vor Ort
und betrifft keinesfalls eine ganze Region,
deren Trinkwasser, Gesundheit, Lebensqualität und Umwelt.
Da hat einer den letzten Schuss einfach nicht gehört
oder will ihn nicht hören,
aus welchen Gründen auch immer.

Altvater Einstein meinte einmal sinngemäß,
es gibt zwei Sachen die unendlich zu sein scheinen:
das Universum und die menschliche Dummheit.
Vom Universum weiß man es aber nicht so genau.

Gemeinderats-Sitzung !

Nebst Bürgermeister waren 14 Volksvertreter erschienen.
Die leitende Verwaltungsbeamtin des Amtes Carbäk mit Protokollantin ebenso.

Per Flyer hatte die Aktiven der BI „ProVita“ die Bürger zum Kommen aufgefordert.
So viele Gäste hat der Gemeinderat Broderstorf bisher wohl kaum begrüßen dürfen.
Die Anspannung im Raum war spürbar.

Vor wenigen Tagen war bekannt geworden,
dass das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt (StaLUMM)
die Baugenehmigung für die Errichtung der Hähnchenmastanlage erteilte.

Auch war der Widerspruch gegen die, bereits betriebene BIOGAS Anlage abgewiesen worden.

Beide Anlagen sind Vorhaben des Landwirtes Hinrich Kühl.
Sowohl er selbst, sein Planungsbüro und auch das Amt betonten
die enge Verbindung der Projekte,
die zwar getrennt beantragt wurden
aber als Einheit zu betrachten sind.

Die Gemeinderäte hatten nun darüber zu befinden,
gegen die Ablehnung des Widerspruches (Biogas) vor Gericht zu gehen.
Da es Fristen für solch eine Klageerhebung gibt,
hatte die Verwaltung des Amtes Carbäk reagiert und vorsorglich Klage erhoben.

Die LVB, Frau Narajek, begründete diesen Schritt aus amtlicher Sicht nachvollziehbar und logisch:
1.
es gab keinen Beschluss der Gemeinderäte, ob Klage oder nicht
2.
die Rechtsanwälte der Gemeinde hätten eine Klage empfohlen
3.
wegen der kürzlich erteilten Baugenehmigung für die Hähnchenmastanlage
sei eine neue Situation entstanden – es sei nicht sinnvoll auf eine Klage (gegen Biogas) zu verzichten
und danach gegen die Baugenehmigung (HMA) in Widerspruch zu gehen
4.
der Gemeinderat könne nun entscheiden und beschließen,
ggf. werde man die Klage zurücknehmen.
5.
die absehbaren Kosten bei einer möglichen Rücknahme der Klage
seien angemessen, unabwendbar und der Situation geschuldet.

Landwirt und Gemeinderat Herr Junge
berief sich auf eine Meinungsabfrage des Bürgermeisters per Mail
in der die Gemeinderäte sich gegen eine mögliche Klage ausgesprochen hätten.

Frau Narajek entgegnete, dass ihr dies bekannt sei,
eine solche Meinungsabfrage aber nichts mit einer verbindlichen Beschlusslage zu tun hätte.

Landwirt und Gemeinderat Herr Jantzen war das finanzielle Risiko zu groß.
Er halte es für gefährlich und sah keine Erfolgschancen für eine Klage.

Gemeinderat Burkhard Grunow, stellte klar
von welchen Kosten hier die Rede sei.
Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Gemeinde für 23.000 Euro eine Bushaltestelle errichten wolle,
aber bei 9 TEU Euro Gerichts- und Anwaltskosten knausere.
Das sei nicht verhältnismäßig.
(im Übrigen gibt die Gemeinde gerade 1.600.000 Euro
für ein neues Vereinsheim des SV Pastow aus – Anm. d. Red.)


Im Vorfeld der Sitzung hatte der Bürgermeister den Bürgern versprochen,
dass sie zum Thema Gelegenheit erhalten, sich an der Diskussion zu beteiligen.
Der Bürgermeister hielt Wort und unterbrach die Sitzung.

Der sachliche und höfliche Meinungsaustausch
wurde durch den Auftritt des Investors und Landwirtes Kühl jäh unterbrochen.

Anders, als in eingangs erwähnter Presse zu lesen,
äußerte sich Kühl gar nicht kühl, sondern mit mühsam unterdrückter Wut.
Ohne auf Details einzugehen, unterstellte er den Bürgern,
die er teilweise namentlich ansprach,
grundlose öffentliche Diskretitierung seiner Person.
Er hätte wiederholt Gesprächsangebote gemacht und verstehe nicht,
wieso man sich bei möglichen, durch seine Mitarbeiter verursachten Schäden,
nicht direkt an ihn wende.

Dem entgegneten die angesprochenen Bürger,
dass man dies ja mehrfach versucht hätte,
es aber immer strikt und oft auch in einem sehr fragwürdigem Ton durch Kühl abgelehnt worden sei.
Die Art und Weise, wie Herr Kühl sich hier aufführe
sei der beste Beweis dafür.
Das sei auch nicht damit zu entschuldigen,
dass bei ihm „die Nerven offenbar blank liegen“ (Zitat M. Eckart).

Nach Fortsetzung der Sitzung durch den Bürgermeister plädierte jener dafür,
die Abstimmung über eine Klage (Biogas) in eine Sondersitzung zu verschieben.
Dann könne man sich im Zusammenhang mit der Hähnchenmastanlagen-Genehmigung
eine Meinung erarbeiten.
Mehrere Gemeinderäte hatten darum gebeten,
sich noch einmal in Ruhe mit der neuen Situation
und den umfangreichen Baugenehmigungsunterlagen für die Hähnchenmastanlage zu befassen.

Dieser Vorschlag fand keine Mehrheit.

Die Gemeindevertreter Broderstorfs entschieden sich mehrheitlich gegen die Klage (Biogas)
und folgten somit den Argumenten der Landwirte Junge und Jantzen.

Eine Sondersitzung zur Hähnchenmastanlage soll dennoch stattfinden.

Am 18.März endet die Frist.
Bis dahin kann gegen die Baugenehmigung Widerspruch eingelegt werden.
Die Gemeindevertreter wollen sich am Montag, den 14.März
in einer öffentlichen Sondersitzung zusammenfinden.

Das heißt, wenn der ZUMBA-Tanzkurs nicht stattfindet,
der den Sitzungsraum belegen könnte,
wie Herr Harms zu bedenken gab.
Tja, immer diese Prioritäten.

Was war in der Sitzung noch Thema ?

In der Einwohnerfragestunde ging es um den Spielplatz in Pastow.
Die „Never-Ending-Story“ soll nun ein glückliches Ende finden.
Der Finanzhaushalt der Gemeinde ist bestätigt, es kann also Geld fließen
und die Kinder haben gute Chancen im Sommer ausgelassen mit den Spielgeräten zu spielen.

Weiter, in der Einwohnerfragestunde:
an der Strecke auf der die LKW für die Hähnchenmastanlage fahren sollen,
sind Bäume gefällt worden.
Diese gehörten dem Landwirt Kühl, wie sich später in der Sitzung herausstellte.
Die Bürger wollten wissen, ob die Fällung genehmigt sei
und ob sie in Zusammenhang mit dem Vorhaben stehe.
Der Bürgermeister konnte dazu keine Aussage machen und versprach Klärung.

In der Sitzung selbst informierte der Bürgermeister u.a. darüber,
dass es Fusionsgespräche mit dem Amt Rostocker Heide gegeben habe,
die nun weitergeführt werden.
Es ginge um die Fusion der Gemeinden Bentwisch und Kussewitz.

Sehr nebulös reagierte er auf einen Zuruf aus den Gästereihen.
Demnach könne er nicht ausschließen,
dass bei diesen Gesprächen auch wieder eine Ämterfusion
zwischen CARBÄK und Rostocker Heide auf dem Plan stände.

An der B110 und in Broderstorf (Richtung Feuerwehr)
soll Ackerland zu Bauland werden.
Die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen
wurden im Rahmen einer Satzung beschlossen.
Der Landwirt Herr Jantzen und der Bürgermeister erklärten sich als befangen
und stimmten nicht mit ab.

In dem Zusammenhang fragte Herr Grunow nach einem Baugebiet,
dass einige hundert Meter weiter vor Jahren erschlossen werden sollte.
Damals war Herr Grunow als Gemeindevertreter Steinfelds am Genehmigungsverfahren beteiligt.
Diese Gebiete seien alle ausgelastet, antwortete darauf der Bürgermeister.
Anwesende Gäste reagierten irritiert,
war nach ihrer Wahrnehmung dort nicht gebaut worden.

Die Sitzungen der Gemeindevertretung in der ehemaligen Gemeinde Steinfeld,
begleiteten jahrelang immer wieder Hinweise von Mietern,
dass es in den gemeindeeigenen Wohnungen schimmelt.

Sie kennen das als Mieter sicher – Vermieter weisen dann, oft zu recht,
auf das falsche Lüftungsverhalten hin.
Offensichtlich reicht das Lüften hier nicht aus.
Es schimmelt weiter.
Nun will man einen Gutachter beauftragen, um für Klärung zu sorgen.

Der erbärmliche Zustand einiger Gemeindestraßen dürfte kaum jemand entgangen sein.
Eine umfangreiche Liste an Straßenreparaturmaßnahmen soll auf den Weg gebracht werden.

Baugutachter und Bauingenieur Grunow hat sich intensiv damit befasst.
Ähnlich, wie auch weitere Gemeinderäte vermisse er eine Beschreibung der Vorhaben.
Die Debatte darüber,
ob es eine Leistungsbeschreibung dafür überhaupt gäbe oder nicht,
beendete der Bürgermeister, der einen Stapel Papier hochhielt
und erklärte, dass dies die fragliche Beschreibung wäre.

In Folge gab es einen Schlagabtausch zwischen dem Bauspezialisten Grunow
und dem Vorsitzenden des Bauausschusses Jesse.
Herr Grunow stellte die Zuarbeit des Amtes für die Gemeinderäte in Frage.
Das Amt käme seiner gesetzlichen Pflicht nicht nach, erklärte Herr Grunow
und zitierte die fraglichen Bestimmungen.
Herr Jesse gab sich genervt
und plädierte für Vertrauen in die Kompetenz des Bauamtes.
Die Diskussion fuhr sich fest.
Die Beschlussfassung erfolgte einstimmig.
Kopfschüttelnd verließen weitere Gäste den Raum.

Ich schloss mich ihnen an,
nach der Debatte um die Regelung der Niederschlagsentwässerung in Fienstorf.
Dort soll eine Leitung umgelegt werden.
Ohne jegliche formelle Beantragung von Rederecht erhielt eine Bürgerin Gelegenheit,
um den Gemeinderäten das Problem zu erläutern.

Das war im Sinne der Sache und eine sehr bürgernahe begrüßenswerte Geste.
Offensichtlich war das Formelle völlig aus dem Fokus,
der Minuten vorher korrekt darum bemühten Volksvertreter.
Es geht also auch anders.
Sehr schön.

Ihr Udo Cimutta

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