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Broderstorfer Gemeinderat
am Mittwoch, den 26.März 2014


Gemeindepolitik
Schon beim Betreten des Raumes merkte man,
dass dies eine ganz besondere Gemeindevertretersitzung war.
So etwas hat es in Broderstorf wohl noch nicht gegeben.

Die Gemeinderäte wurden wie ein Auditorium an der Stirnseite
gegenüber den, wie im Kino angeordneten Gästestuhlreihen platziert.

Es waren ca. 80 Stühle für die Bürger aufgestellt worden,
so dass keiner der ca. 60 Gäste stehen musste.
Ganz großes Kino also - mit einem spannenden Szenario.

Bei den Plätzen der Akteure hatte man sich wahrscheinlich ein wenig vertan,
oder man hatte auf die dürftige Besetzung der vergangenen Sitzungen gehofft.
Jedenfalls - dort waren die Sitze knapp.
Glücklicherweise kamen auch nur 14 Gemeinderäte nebst Bürgermeister
so dass auch hier keine Stehplätze von Nöten waren.

Die Verwaltung hatte sich in der Person des Amtsvorstehers Bünger Verstärkung mitgebracht.
Dieser saß während der ganzen Veranstaltung eher etwas verloren
zwischen den hitzig Debattierenden
und meldete sich auch nicht ein einziges Mal zu Wort.

Um den ungewöhnlichen Rahmen des Ganzen abzurunden
räumte der Bürgermeister noch vor der Sitzungseröffnung
den Bürgern Rederecht zum Tagesordnungspunkt 9 (Gemeindliches Einvernehmen Hähnchenmastanlage)
in der Sitzung ein.
Dieses ließ er sich per Abstimmung von den Räten absegnen.
Die Mehrheit trug die formal nicht wirklich korrekte Vorgehensweise mit
und so war es beschlossene Sache,
dass die Bürger das Recht hatten maximal zwei Fragen zum Thema in ca. 3 min zu erörtern.
Lediglich die Gemeinderäte Jager, Junge und Urbach stimmten dagegen.

Obwohl das Rederecht zum zentralen Thema der Sitzung beschlossen worden war,
nutzten einige der Gäste die Einwohnerfragestunde,
um sich von „außen“ an das Kernthema heranzutasten.

Die wichtigste Frage war,
wieso die Auflagen für die Genehmigung der Biogas-Anlage
nunmehr nach Jahren immer noch nicht umgesetzt wurden.

Der Investor für die geplante Hähnchenmastanlage
betreibt auch die Biogasanlage in Fienstorf.
Für das Genehmigungsverfahren dieser Anlage war immer wieder betont worden,
dass es ich dabei um getrennt zu betrachtende Vorhaben handele.

Dies widersprach der Projektvorstellung im Jahr 2007.
Damals hatte Investor Kühl gemeinsam mit seiner Planerin
auf das „ökologische“ Gesamtkonzept aus Biogasanlage und Hähnchenmast hingewiesen
und damit geworben, es als ökologisch-energetische Einheit zu betrachten.

Für das Genehmigungsverfahren für die Hähnchenmastanlage
scheint man sich nun dieser Gemeinsamkeit wieder zu erinnern.
Im vorliegenden Erschließungsvertragsentwurf des Investors wird angeboten,
auf den beauflagten Kreuzungsausbau in Öftenhäven zu verzichten
um ein Teilstück der Straße als Zuwegung zur Hähnchenmastanlage grundlegend zu erneuern.

Das sehen offensichtlich viele der Bürger äußerst kritisch.
Sie sprachen von Kuhhandel und Basar-Mentalität.
Es wurde mehrfach an die gesetzliche Verbindlichkeit
einer Auflage für eine Baugenehmigung erinnert.
Immer wieder stand die Frage im Raum, ob nicht gleiches Recht für alle gelte.

Es wurde gefordert, dass die Auflagen endlich umgesetzt werden
und ein Ausbau der Kreuzung in Öftenhäven erfolgt.
Verärgert nahm man zur Kenntnis,
dass weder der Bürgermeister, noch das Amt oder der Gemeinderat Möglichkeiten sahen,
die Genehmigungsbehörde zum Handeln zu veranlassen.
Eine Fristsetzung und die Androhung einer Stilllegung der Anlage
seien Maßnahmen die längst überfällig seien.
Das Zögern der Instanzen wäre nicht hinnehmbar.

Der Bürgermeister und die Amtsleiterin beantworteten die Frage ausweichend,
ob die Auflagenumsetzung auch Gegenstand der Rechtsberatung gewesen sei.
Dem Argument, dass dieses Thema laut Gemeinderatsbeschluss ebenfalls erörtert werden sollte,
hielten sie entgegen, dass Priorität der Beratung
die Begründung einer Versagung des gemeindlichen Einvernehmens gewesen sei.
Die Auflagenumsetzung der Biogasanlage werde man später behandeln.
Zu der Frage, ob dies zeitnah geschehen werde, äußerten sie sich nicht.

Natürlich beschäftigte viele Bürger die Frage,
wer dafür zahlen muss,
wenn die Gemeindestraßen vom Schwerlastverkehr so beschädigt werden,
dass sie einer grundlegenden Erneuerung bedürfen.

Hier kam die Antwort des Bürgermeisters eindeutig.
In so einem Fall greife die Straßenbaubeitragssatzung für die Anwohner,
die im Rahmen dieser Satzung dann zur Kasse gebeten würden.
Auf die Frage, gegen wen man im Falle eines Falles klagen könne,
antwortete die Amtsleiterin.
Rechtsstreitigkeiten für die Gemeinden führe das Amt, war ihre Antwort.

Eine sehr interessante Frage die schon sehr in Richtung des o.g. Tagesordnungspunktes ging,
stellte Herr Ludwigkeit aus Steinfeld.
Er erinnerte daran, dass der Bürgermeister auf der letzten Gemeindevertretersitzung
die Verkehrsbelastung mit zwei zusätzlichen Fahrten im Jahresdurchschnitt beziffert habe.

Detailliert führte Herr Ludwigkeit aus,
dass ein solcher Durchschnittswert weit an der Realität vorbeiginge.
Es seien mehrtägige Verkehrsspitzen im Jahresverlauf zu beachten,
die sich aus den Betriebsabläufen der agrarindustriellen Anlagen und denen der Landwirte ergäben.
Fienstorfer Bürger hätten z.B. an einem Tag 76 Fahrten schwerlastiger Gülletransporter gezählt.
Das wäre ein IST-Zustand.
Rechne man prognostisch alle zu erwartenden Transporte für die Hähnchenmastanlage ein,
so wären 90 Schwerlasttransporte pro Tag mehrmals im Jahr an mehreren Tagen
insbesondere in der Nacht zu erwarten.

Diese Zahlen solle man zugrunde legen, wenn man das geplante Vorhaben bewerte.

An das religiöse Gewissen der Landwirte appellierend,
verwies er auf die Bibel in der beschrieben sei,
das Wohl der Tiere nicht zu vernachlässigen.
Industrielle Tierhaltungen, wie die geplante,
würden diesem Bibelgrundsatz widersprechen.

Später in der Sitzung meldete sich auf diese Äußerung hin
Gemeinderat und Landwirt Herr Jager zu Wort.
Die Menschen würden vornehmlich Billigfleisch konsumieren
und seien nicht bereit mehr für Lebensmittel zu bezahlen.
Das sei beispielsweise in Skandinavien anders.
Die produzierten Nahrungsmittel würden den Landwirten in Deutschland unzureichend vergütet.
Diese müssten ständig um ihre Existenz fürchten.
Sie müssten kämpfen, um das Überleben zu sichern.

Gemeinderat und Landwirt Junge ging in seiner Erwiderung sogar soweit,
dem Bürger das Recht abzusprechen sich überhaupt in Richtung Tierhaltung kritisch zu äußern,
wenn dieser kein Vegetarier sei.
Das seien 98 Prozent der Deutschen aber nicht monierte Herr Junge.

Solche Äußerungen dienen allerdings kaum dazu
eine Brücke zwischen Nahrungsproduzenten und Konsumenten zu schlagen.
Das habe sogar der Präsident des Bauernverbandes Tietböhl erkannt,
wie Herr Pohl aus Steinfeld in der Einwohnerfragestunde deutlich machte.
Tietböhl stellte öffentlich die Tierfabriken in Frage
und plädierte dafür, das Ansehen der Landwirte bei der Bevölkerung wieder zu heben.

Im Anschluss an die Einwohnerfragstunde wurde die Sitzung eröffnet
und nach den üblichen Formalien erhielt im Tagesordnungspunkt 9
zuerst der Vertreter des Planungsbüros WastraPlan Herr Sven Markmann das Wort.

Anhand einer Videowand-Präsentation erläuterte er die Erkenntnisse und Einschätzungen
zur Verkehrsbelastung der strittigen Zuwegung zur geplanten Hähnchenmastanlage
durch die Wohngebiete der Gemeinde.

Das Planungsbüro war aufgrund eines Gemeindratsbeschlusses
durch das Amt für eine solche Untersuchung beauftragt worden.

Der Planer erläuterte detailliert die Richtlinien und gesetzlichen Grundlagen
für die Einschätzung der Verkehrseignung.
Er schränkte ein, dass seine Ausführungen nur einen aktuellen Zwischenstand darstellten.
Grundsätzlich könne aber gesagt werden,
dass die vorhanden Straßen für den zu erwartenden Verkehr nicht geeignet seien.

Viele Straßen seien erst kürzlich auf eine Breite von 4,75 m ausgebaut worden.
Das sei zu wenig.

Später in der Diskussion ließ der Planer offen,
ob das gesetzlich geforderte Mindestmaß von 5,50 m
die Genehmigungfähigkeit für die Anlage in Frage stelle.

Ein Straßenausbau sei möglich,
jedoch aufwendig, teuer und angesichts der Bedingungen unwahrscheinlich,
so der O-Ton des Planers, der Verwaltung und des Bürgermeisters.

In der Diskussion wurde deutlich, dass der Planer nicht beauftragt worden war,
den Straßenabschnitt zwischen geplanten Anlagenstandort,
dem Ortseingang und die Ortsdurchfahrt in Fienstorf zu untersuchen.

Dies sorgte für Misstrauen und Unmut unter den Gästen.
Gerade diese Abschnitte seien in Hinblick auf die Eignung für Schwerlastverkehr
äußerst kritisch zu betrachten.

Der Planer versprach hier nachzubessern
und diese Straßenabschnitte zu untersuchen.
Konkret durch die Bürger befragt,
bestätigte die Amtsleiterin Frau Narajek diese Auftragserweiterung
und ließ dies im Protokoll vermerken.

Mehrfach auf diesen Straßenabschnitt angesprochen,
hatte der Planer zuvor in der Diskussion einschränkend erläutert,
dass kurze unvermeidbare Einengungen die grundlegende Eignung der Straße
für Schwerlastverkehr nicht beeinträchtigen.
Dafür gebe es straßenbauliche Alternativen in Form von Ausweichtaschen.

Ebenfalls kritisch wurde gesehen,
dass der Planer die Bewertungskriterien für die Belastungen der Straßen
vom Gutachten des Investors entnommen
und für die eigenen Berechnungen zugrunde gelegt habe.
Der Planer versprach die Kriterien prüfen
und den zu erwartenden Verkehr zugrunde zu legen.

Abschließend forderte der Planer die Anwesenden auf,
ihn bei weiteren Fragen oder Hinweisen zu kontaktieren.
Hier seine Telefonnummer: 0381 8095821

Eine junge Bürgerin, Christina Schirm, hinterfragte interessiert,
wie die Informationsweitergabe funktioniere.
Sie wollte wissen und sicherstellen,
dass der Planer und auch das mit der Thematik befasste Rechtsanwaltsbüro
von den vielen wertvollen Hinweisen Kenntnis bekommen,
damit diese in die Betrachtung und Bewertungen einfließen können.

Die teilweise etwas schwammigen Zusicherungen der Amtsleiterin und des Bürgermeisters
stellten die junge Frau nicht zufrieden.

Wie schwer sich Verwaltung und und Bürgermeister tun,
solche Zuarbeiten zuzulassen zeigte sich später in der Sitzung.

Als Vertreter des BUND bot ich eine Zuarbeit für die Erarbeitung der Begründung
zur Versagung des gemeindlichen Einvernehmens an.
Hintergrund dieses Angebotes sind Inhalte,
auf die der bundesweit anerkannte Spezialist und Rechtsanwalt des BUND Herr Werner
mehrfach aufmerksam machte.
In einer Zusammenfassung hatte er diese Aspekte für die Gemeinderäte erläutert.
Ein entsprechendes Schreiben liegt allen Räten seit Wochen vor.

Sollte die Genehmigungsbehörde die Versagung des Einvernehmens ersetzen
und eine Baugenehmigung erteilen,
ginge die Angelegenheit aller Wahrscheinlichkeit nach vor Gericht.

Bei einer solchen gerichtlichen Auseinandersetzung ist es wichtig,
das im Vorfeld alle Entscheidungen juristisch sicher begründet wurden.

Nur zögerlich stimmte man dem Angebot des BUND zu.

Die Amtsleiterin als Juristin machte darauf aufmerksam,
dass man sich bei der Begründung zur Versagung des gemeindlichen Einvernehmens
auf die eigene Betroffenheit der Gemeinde konzentrieren müsse.
Hier habe man sich auf die Belange der ungesicherten Zuwegung zu konzentrieren.
Umwelt-, Lärmbelastungen usw. gehören ihrer Ansicht nach nicht in die Begründung.

Vor der Abstimmung zum gemeindlichen Einvernehmen gelang es noch,
den Beschlusstext zu ergänzen.

Hintergrund dieser Ergänzung war ein Schreiben von Burkhard Grunow (siehe hier).

Herr Grunow machte darin darauf aufmerksam,
dass man über das Erschließungsvertragsangebot des Investors ebenfalls befinden müsse.
Dieser Beschluss sei dem Investor fristgerecht mitzuteilen.
Anhand von Beispielen und einem Bundesgerichtsurteil begründete er seine Ausführungen.
Seiner Ansicht nach, könne der Investor bei Fristversäumnis
Rechtsansprüche gegenüber der Gemeinde geltend machen.

Ich hatte in einer Mail darum gebeten,
beim Rechteanwaltsbüro eine rechtlich verbindliche Auskunft
zu diesem Schreiben der Rechtsposition Grunows einzuholen.
Das ist offenbar nicht geschehen.

Im Auftrage der Amtsleiterin und in Rücksprache mit der amtlichen Rechtsamtsmitarbeiterin
erklärte die Amtsmitarbeiterin Frau Joost,
dass sich aus einem Fristversäumnis kein Rechtsanspruch des Investors ableiten ließe.

Offensichtlich war man sich trotz Zitieren der Verwaltungsgesetze und des BGB
nicht ganz sicher, ob dies im konkreten Fall zutreffend ist.

In einer kurzen Pause wurde der vorliegende Beschlussvorschlag
von der Amtsleiterin und der Amtsmitarbeiterin ergänzt und umformuliert.
Die Ablehnung des Erschließungsvertragsangebotes fand sich darin begründet wieder.

Nun kann man nur hoffen,
dass diese Ablehnung dem Investor vom Amt auch fristgerecht mitgeteilt wurde.

Gegen die Stimmen der Gemeinderäte Jesse, Junge, Jantzen und Jager
beschloß die Gemeindevertretung Broderstorf das gemeindliche Einvernehmen
zur geplanten Hähnchenmastanlage in Fienstorf zu versagen.

Wie immer für Sie mit einem kleinen Redaktionsteam am Ball
Ihr Udo Cimutta


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